Auf Youtube finden sich einige Videos von selbsternannten Coaches, die dort versprechen, dass man mit Dropshipping im eCommerce reich werden kann. Kleiner Spoiler, das ist Bullshit.
Wer direkt vom geballten Fachwissen der gerade volljährig gewordenen Coaches profitieren möchte, ohne sich zu fragen, wie jemand der gerade erst geschäftsfähig geworden ist, sich das enorme Wissen und die Fachkompetenz aneignen konnte, die andere in jahrelanger Berufserfahrung angesammelt haben, dem seien die endlosen Weiten des YouTube-Universums wärmstens ans Herz gelegt.
In den Videos wird von 100 Euro Umsatz pro Tag gesprochen, um dann Interessenten in (natürlich kostenpflichtige) Coaching-Kurse zu locken. Sicherlich klingt 100 Euro pro Tag im ersten Moment nach ordentlich Kohle, aber die Wirklichkeit sieht dann doch erschreckend nüchtern aus.
Was in den Videos angeteasert wird ist die Illusion vom schnellen Geld. Get rich quick. Was allzu gern verschwiegen wird ist die Tatsache, dass 100 Euro Umsatz pro Tag also 3.000 Euro pro Monat wirklich nur Umsatz sind. An dieser Stelle eine der Weisheiten, die vielen Goldgräbern noch nicht bekannt war: Umsatz ist nicht Gewinn!
Dropshipping lässt nur zu, dass die Marge zwischen dem Einkaufspreis und dem Verkaufspreis der Ware als Arbitrage an den Vermittler gehen.
Der Vermittler - also der potentielle Interessent und Kursteilnehmer - soll sich einfach nur einen umsatzträchtigen Bereich auswählen und dort die Produkte aus einer günstigen Quelle wie etwa aliExpress.com anbieten und kann sich dann schon die Yacht aussuchen, mit der es im Sommer nach Monaco gehen soll.
OK, wenn ich für 100 Euro am Tage Ware verticke, die im Einkauf nur 50 Euro kostet und dabei auch keinen Aufwand habe, da ja die Ware direkt nach der Zahlung vom Hersteller/Dropshipper zum Kunden geliefert wird, dann ist da immer noch ein hübsches Sümmchen für Nichtstun.
Der Haken an der Geschichte ist, dass umsatzträchtige Nischen auch immer hart umkämpft sind und aufgrund des Preiskampfes auch nur dünne Margen möglich sind.
Ein kleines Beispiel. Eine der beliebtesten Nischen ist der Bereich "Handy- und Smartphone-Zubehör". Das heisst Schutzfolien, Hüllen, Adapter, Ladekabel, Pop-Sockets und all der Kram. Diese Produkte kosten in der Regel unter 10 Euro, was bedeutet, es müssen zehn Stück pro Tag abgesetzt werden. Das klingt erstmal nach keiner großen Herausforderung.
Wenn man sich jetzt den Markt für diese Produkte ansieht fällt aber auf, dass es unzählige Anbieter gibt, die die gleichen Produkte verkaufen wollen und sich dabei um Centbeträge gegenseitig unterbieten.
Von der Differenz zwischen dem Einkaufspreis und dem Verkaufspreis bleibt also wenig übrig, da sich immer jemand findet, der das Produkt nochmal ein paar Cent günstiger anbietet, um noch seine 100 Euro Umsatz pro Tag zu machen.
Es ist also unwahrscheinlich dass es ausreichend ist, zehn Produkte am Tag zu verkaufen. Gehen wir also davon aus, dass fünfzehn Produkte den benötigten Umsatz erzielen. Dann sind wir an der Stelle, an der die Coaches eigentlich ansetzen müssten. Nämlich der Information, wie man ein frisch bei Amazon gelistetes Produkt verkauft. Denn Tatsache ist, dass ein Angebot ohne jegliche Verkaufshistorie mit einem Ranking fernab von Seite eins startet. Wenn dein Produkt bei Amazon aber nicht auf Seite eins zu finden ist, ist es für den Käufer so, als wäre das Produkt im Darknet.
Damit das Produkt eine reelle Chance hat, den potentiellen Käufern angezeigt zu werden, kommt man nicht umhin, auf Amazon Werbung zu schalten. Diese Werbung läuft bei Amazon als PPC-Modell (Pay per Click). Jeder Klick auf die Produktanzeige kostet den Verkäufer Geld, unabhängig vom Verkauf. Falls es noch nicht bekannt war, ein Amazon-Händleraccount kostet auch noch eine monatliche Grundgebühr von knapp 40 Euro.
Geht man von einem ACOS (Advertising Cost on Sale = Werbekosten) von 10% aus, müssen zum Erreichen von 100 Euro Umsatz etwa 10 Euro pro Tag an Werbekosten ausgegeben werden.
Mit den 3.000 Euro Umsatz im Monat, abzüglich der 300 Euro Werbekosten, abzüglich der 40 Euro monatlicher Grundgebühr für den Amazon-Seller-Account, abzüglich des Dropshipping-Preises der Produkte bleibt also deutlich weniger hängen, als es die Videos suggerieren. Wenn nach Abzug aller Ausgaben davon vielleicht noch 10% Übrig bleiben, hat man also knapp 300 Euro "Nebeneinkommen" in einem Monat generiert. Den Vergleich was ein Handwerker am Wochenende bekommen kann bringe ich jetzt nicht.
Jetzt kommt aber noch hinzu, dass man mit 100 Euro pro Tag die Grenze zum Kleinunternehmer nach Par. 19 UStG schwungvoll überschreitet, denn als Kleinunternehmer kann man nur bis zu 17.500 Euro Umsatz pro Jahr (Seit 2020 22.000 Euro pro Jahr) machen, ohne die Umsatzsteuer ausweisen zu müssen. Bei einem Jahresumsatz von 36.000 Euro (3.000 Euro pro Monat * 12 Monate) entfällt diese steuerliche Vereinfachung und jeder, der über diesem Betrag liegt kann sich dann mit dem Finanzamt auseinandersetzen oder das ganze - natürlich kostenpflichtig - an einen versierten Steuerberater geben.
Und nicht zu vergessen sind die Versicherungen für gewerbliche Händler, die Kosten für Retouren im Widerrufsfall, Nachsendungen durch Reklamationen von mangelhaften Produkten oder unvollständigen Lieferungen, eventuelle Kosten für verschiedene Mitgliedschaften, Rechtstexte, Templates etc.
Damit sich das wirklich lohnt, muss man einfach mehr Produkte online bringen und mehr verkaufen. Das heißt dann mehr Kundenkontakt, also mehr Zeit in den Support investieren. Mehr Absatz heisst auch bei gleichbleibender Retourenquote mehr Stückzahlen die zurückkommen. Da muss dann schonmal der Feierabend dran glauben, wenn man die Retouren prüft, den Kunden eine Rückerstattung zukommen lässt und die Rückgaben in den jeweiligen Verkaufsportal bearbeitet und als erledigt markiert.
Und wenn man es professionell betreiben will, führt auf lange sicht kein Weg daran vorbei, die Produkte direkt bei Amazon FBA einzulagern. Das wiederum funktioniert nicht beim Dropshipping sondern ausschliesslich über die Vorfinanzierung der Ware.
Dass die Einlagerung der Ware und das Fullfillment über Amazon FBA nicht kostenfrei erfolgt ist sicherlich selbsterklärend. Neben den Kosten der Einlagerung fällt übrigens auch der Transport uzm FBA-Lager an. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass bei Amazon eingelagerte Ware nicht bis zumn Sankt Nimmerleinstag dort lagert, sondern nach einer gewissen Zeitspanne ohne Verkäufe einfach "entsorgt" wird.
Das lässt sich aber gut tracken, wenn man entsprechende Software-Tools benutzt, die es leider nicht umsonst gibt.
Um das ganze noch so richtig schön abzurunden kann man sich dann noch externe Dienstleister oder Freelancer leisten, die sich um Marketingangelegenheiten kümmern. Facebook-Ads, Werbung auf Instagram, Kooperationen mit Micro-Influencern oder klassische Google-Adwords. Von Affiliate-Marketing sprechen wir dann später, wenn es erst mal richtig läuft und man neben Amazon noch einen eigenen Onlineshop gebaut hat oder hat bauen lassen. Die Kosten für Domain und Hosting fallen dabei wohl eher weniger ins Gewicht und auch ein Shopify-Shop ist noch im bezahlbaren Rahmen.
Hochwertige Produktbilder für den A-Plus Content oder auch EBC (Enhanced Brand Content) werden dann wieder etwas teurer.